Lehrplan und Fächer der Unterstufe

Ein entscheidendes Prinzip des Waldorflehrplans liegt in der Abstimmung des Unterrichts auf die Prozesse kindlichen Lernens und die Stufen menschlicher Entfaltung in Kindheit und Jugend.

Die Unterstufe umfasst die Klassen 1–4, eine Zeit, in der die Kinder in der Schule ankommen und vor allem das Lernen lernen und einen guten sozialen Umgang miteinander üben.

Durch den Lehrplan der Waldorfpädagogik sollen die Fähigkeiten des Kindes in ausgeglichener Weise entwickelt und gefördert werden, in gegenseitiger Ergänzung, ohne Einseitigkeiten, aber doch über die allgemeinen Kulturtechniken hinaus. Das Künstlerische und Musische spielt hierbei eine große Rolle - die Lehrer bemühen sich, als „Erziehungskünstler“ zu unterrichten. Die Unterschiede und Besonderheiten jeder Altersstufe werden genutzt, um binnendifferenziertes Lernen zu ermöglichen. Anstatt Kinder an standardisierte Leistungskriterien heran zu führen, üben die Kinder das soziale Lernen, bei dem oft auch das „starke“ Kind vom „schwachen“ Mitschüler lernt.

Für unsere ersten zwei Schuljahre haben wir ein besonderes Konzept entwickelt: Der Klassenlehrer beginnt und beendet den Schultag mit der Klasse. Nach dem Hauptunterricht schließt sich direkt jeden Tag eine Waldstunde an, in der die Kinder die Zeit der großen Pause und der ersten Fachstunde frei spielend verbringen. Diese Waldstunde schafft einen Raum, indem die Kinder spielerisch soziale Fähigkeiten entwickeln können und Zeit haben, sich in ihrem Spiel zu entfalten. Ein kleiner Bach, Hänge, Wurzeln und alte Bäume laden zum phantasievollen Spiel ein. Dabei bietet sich dem Lehrer die Möglichkeit, eine umfassendere Wahrnehmung für seine Kinder zu bekommen.

An die Waldstunde schließen sich zwei weitere Fachstunden an, wobei die letzte Fachstunde vom Klasselehrer selbst unterrichtet wird, so dass er den Tag mit einer Geschichte (dem Erzählteil) abschließen kann.

Hauptunterricht

Der Unterricht an unserer Schule beginnt täglich um 8.15 Uhr. Ein gemeinsamer Anfang in der Klasse ist jeden Tag der Beginn für die Schüler. Im Hauptunterricht werden die Inhalte altersentsprechend aufeinander abgestimmt und rhythmisch gegliedert vermittelt. Der Hauptunterricht befasst sich in den Klassen 1–4 mit folgenden Themen:

Im Fach Deutsch werden die Buchstaben bildhaft vermittelt und zunächst mit Geschichten eingeführt. Es folgt eine schrittweise Entwicklung des Schreib- und Schriftverständnisses bis hin zum flüssigen, betonten Lesen. Schulbücher gibt es in diesen Jahren nicht. Die Schüler werden dazu angeleitet, ihre Bücher selber anzufertigen, wobei auf die Gestaltung und die Vollständigkeit großen Wert gelegt wird. Erlebnisberichte, Aufsätze und Referate werden bereits in der Unterstufe angefertigt.

Im Fach Rechnen lernen die Kinder alle vier Grundrechenarten schon innerhalb des ersten Schuljahres. Die Zahlenreihen werden bereits bis zum großen 1x1 erübt und mit vielerlei z. T. spielerischen Übungen erarbeitet. Das Bruchrechnen wird in der vierten Klasse eingeführt.

In dem Fach Formenzeichnen, dem ersten Unterrichtsfach, das die Schüler/innen erhalten, lernen sie Formprinzipien, Ästhetik, Symmetrie, Disharmonie und weitere Grundlagen der Geometrie kennen.

Hinzu kommen Themen der Sachkunde wie Mengen und Gewichte, Zeit und Jahreslauf, Heimatkunde, Ackerbau und der Weg vom Korn zum Brot, Tierkunde und das Erleben der verschiedenen Handwerksberufe. Alle Unterrichte werden epochal unterrichtet, d. h. es wird täglich eine Doppelstunde über drei bis vier Wochen zu einem jeweiligen Epochenthema gearbeitet und mit Bewegung und Kreativität vermittelt.

Englisch und Russisch

Von der ersten Klasse an lernen die Kinder über das Hören und Erleben die englische und russische Fremdsprache. Das aktive Hören und Mitsprechen, das Singen von Liedern, die Rezitation von Reimen, Spiele und Tänze stehen im Mittelpunkt der Begegnung mit den Fremdsprachen. Diese unmittelbare und oft spontane Herangehensweise eröffnet den Kindern einen Zugang zu der fremden Sprache, der dem Erlernen ihrer Muttersprache ähnlich ist. Grundlegende Sprachelemente werden durch die eigene, vielfach nachahmende Tätigkeit der Kinder angelegt.

Erst in der dritten und vierten Klasse beginnt allmählich die systematische Bewusstmachung des vorher Geübten. Viele bekannte Reime oder die Namen von Gegenständen des alltäglichen Gebrauches werden jetzt aufgeschrieben und lesend wiedererkannt. Statt abstrakter Übersetzungen wird Gehörtes und Gelesenes frei wiedergegeben. Auch kleine Dialoge werden geübt.

Eurythmie

Diese von Rudolf Steiner begründete Bewegungskunst ist sichtbarer Ausdruck von Sprache und Musik. In der pädagogischen Eurythmie lernt der Schüler zunächst, sich geschickt im Raum zu bewegen und zu orientieren. Elemente aus Sprache und Musik werden hierbei durch Bewegungsformen und Gliedmaßen-Bewegungen von Einzelnen oder in Gruppen im Raum sichtbar gemacht. In den ersten Klassen wird der Bewegungsdrang und die Nachahmungskraft des Kindes genutzt. In Märchen und kleinen Geschichten darf das Kind in eine Tier- oder Märchenrolle schlüpfen, und musikalisch sollen rhythmische Übungen und Geschicklichkeiten die Feinmotorik des Kindes entwickeln. Die Eurythmie ist vom Kindergarten bis zum Schulabschluss fest im Lehrplan verwurzelt.  (Siehe auch: Schulkonzept > Eurythmie!)

Musik

Gemeinsames Musizieren fördert die soziale Kompetenz und die individuelle Entwicklung der Persönlichkeit. Deshalb gehört Musik selbstverständlich zum Unterricht und zum Alltag an unserer Schule. Wir bieten allen Kindern die Möglichkeit, verschiedene Instrumente kennenzulernen. So wachsen unsere Schüler ausgehend von einfachsten, meist pentatonischen Weisen über das Volksliedgut und Melodien der europäischen Völker hinein.

Handarbeit

Die Kinder sollen „mit den Fingern denken lernen“, denn das Begreifen mit den Händen ist immer geistige Aktivität. Die Arbeit an einem Werkstück ist zugleich Arbeit an sich selbst: es wird Ausdauer und Konzentration, Genauigkeit und Phantasie geübt. Werken dient der Geschicklichkeit. Mit den Händen kann das körpergebundene Verstehen erarbeitet und erlebt werden. Wer immer geschickter wird, versteht immer besser und erlebt Verstehen auf der leiblichen Ebene. Verstehen bereitet immer Freude. Dabei wird Vertrauen gewonnen und immer weiterentwickelt. Dieses Vertrauen in ein Verstehen-können fördert auch das Vertrauen in das intellektuelle Verstehen. Intellekt und Geschicklichkeit mit den Händen oder allgemein mit dem Körper bedingen, fördern und ergänzen sich wechselseitig.

Im ersten Schuljahr beginnen wir mit dem Stricken. Im zweiten Schuljahr wird gehäkelt. Ab der dritten Klasse wird das Stricken wiederaufgenommen. Jetzt unterscheiden wir zwischen rechten und linken Maschen. Wir stricken eine Mütze. Dem Viertklässler steht eine anspruchsvolle Jahresarbeit bevor: aus den Stickereien werden Taschen oder die Sitzfläche eines Hockers gefertigt.

Religionsunterricht

An unserer Schule hat sich die Praxis herausgebildet, dass auf Wunsch der Eltern wie auch der Lehrer in der Unterstufe der Religionsunterricht nicht in konfessionsbezogene Gruppen aufgeteilt wird, sondern im Klassenverband als freichristlicher Religionsunterricht erteilt wird.

Sport

Im Sportunterricht werden der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper, seinen Grenzen und Möglichkeiten und das soziale Miteinander erübt. In den Klassen 3–4 steht Spielturnen auf dem Programm. Koordination ist in dieser Phase ganz wichtig. Es wird geworfen, gelaufen, gesprungen, gehüpft und geklettert. Sing- und Rhythmikspiele fügen sich ein.

Monatsfeiern

Am letzten Freitag jeden Monats findet eine Unterstufen-Monatsfeier statt, in der die Kinder Gelerntes aus dem rhythmischen Teil darbieten.

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